„Wir haben keine internen Konflikte. Wir sind der Konflikt.“
Mordrigaarz Antill von den Xaositekten
Vierter Untertag von Savorus, 126 HR
Krystall zog ihren Mantel enger um sich, als sie durch die Gassen des Stocks eilte. Ein dichter, grauer Dunst lag an diesem Tag über der Stadt der Türen und Asche rieselte vom Himmel, nicht nur im Unteren Bezirk. Vielleicht hatte sich irgendwo hoch oben ein Portal auf die Aschenebene oder nach Gehenna geöffnet. Der Wind seufzte so traurig wie ein gequältes Tier. Wenn man länger in Sigil wohnte, gewöhnte man sich an schlechtes Wetter, doch an Tagen wie diesen waren die wenigsten gerne draußen unterwegs. Daher beeilte sich auch die Anführerin der Klingenengel, möglichst rasch ihr Ziel zu erreichen. Und ihr Ziel, das war die Werkstatt von Krixxi und Figaro im Stock. Nicht im Stock, dem ärmsten Stadtviertel von Sigil. Dort war Krystall bereits, dort wohnte sie selbst. Im Stock, dem Hauptquartier der Xaositekten. Dass der Bezirk und das Bundzentrum der Chaoten denselben Namen trugen war eine Tatsache, die oft für Verwirrung sorgte. Und eine, die der Bund gewiss beabsichtigte, förderte und genoss. Die Werkstatt befand sich in der Lachenden Katzen Allee, in einem niedrigen Gebäude aus rotem Backstein. Zumindest konnte man gerade noch so erahnen, dass es sich um rötliche Ziegel handeln musste, denn die Wand des kleinen Hauses war über und über in schrillen Farben bemalt. Wahrscheinlich von der Goblin-Mechanikerin selbst, mutmaßte Krystall, vielleicht mit der Hilfe von ein paar Freunden. Manche belächelten es, dass die Xaositekten so gerne alles Mögliche bemalten, manche rümpften gar die Nase darüber. Doch Krystall hatte es immer als erfrischend und charmant empfunden, der Tristesse des Stocks auf diesem Wege fröhlich-trotzig die Zunge zu zeigen. Sicher, es füllte keine Mägen und heilte keinen Husten, doch es war immerhin ein kleines Zeichen der Lebensfreude, ein Symbol dafür, dass Hoffnung und Kreativität sich selbst hier nicht ganz ausmerzen ließen. In gewisser Weise war es also das, wofür auch sie selbst und die Klingenengel stritten. Die Wege mochten unterschiedlich sein, doch das Ziel war ein ganz ähnliches.
Als sie an die niedrige Tür klopfte, erklang fast sofort Krixxis helle Stimme von drinnen, die sie bat einzutreten. Krystall musste sich ein wenig bücken, um nicht gegen den Türstock zu stoßen, als sie hinein ging. Doch drinnen war der Raum glücklicherweise hoch genug, dass sie aufrecht stehen konnte. Sogar der Minotaurus Schwarzhuf, wie sie erstaunt feststellte, musste sich nicht bücken. Das lag daran, dass zwischen dem Erdgeschoss und dem Dachgeschoss kein Boden eingezogen war, sondern das ganze kleine Haus aus einem einzigen Raum bestand. Es glich dadurch eher einer Scheune als einem Wohnhaus. Doch auf diese Weise hatten auch größere Apparaturen hier Platz, ebenso wie die Gerüste und Flaschenzüge, die Krixxi und Figaro für ihr Handwerk benötigten. Die Goblinfrau winkte Krystall fröhlich zu, während sie an einer Apparatur herumschraubte, die wie eine Mischung aus einer Tauchglocke und einem merkwürdigen Fluggerät aussah. Die Werkstatt war der pinkhaarigen Chaotin und dem erweckten Hahn offenbar Wohnung und Arbeitsraum in einem. Ein großer Teil stand voll mit Werkbänken, halb-fertigen Konstruktionen und Regalen, überquellend von Werkzeugen, Kisten mit Schrauben und Zahnrädern und merkwürdigen Gerätschaften, für die Krystall keinen Namen wusste. Im hinteren Teil befand sich eine kleine Küche, eine aus bunten Stoff-Fetzen zusammengeflickte Hängematte und ein alter Plüschsessel, der an vielen Stellen bereits aufgerissen war, so dass das Füllmaterial großzügig hervorquoll. Krixxi und Figaro schienen den größten Teil ihrer Zeit damit zu verbringen, hier neue Geräte und Erfindungen zu entwickeln und zu konstruieren. Sie waren kreativ und einfallsreich und gingen, wie Krystall inzwischen wusste, gerne an die Grenzen des Möglichen. Ihre Arbeit mochte chaotisch und uneinheitlich erscheinen, aber viele ihrer Ergebnisse waren beachtliche mechanische Meisterstücke. In all dem Chaos entdeckte Krystall dann, dass neben Schwarzhuf auch Zamakis schon anwesend war. Keiner der Bundmeister war jedoch zu sehen, was der Anführerin der Klingenengel durchaus entgegen kam. Sie bemühte sich bislang, bei derartigen Treffen direkt mit den Erwählten zu interagieren und die hohen Tiere aus dem Spiel zu lassen. Pentar war ihr zu destruktiv und Skall zu unheimlich – wenn er denn einmal persönlich erschien, was er zum Glück meist nicht tat. Doch seine Stellvertreter – die Todespriesterin Oridi Malefin oder der Nekromant Komosahl Trevant – waren nicht viel besser. Lhar und Karan hingegen mochte sie persönlich zwar gerne, doch Karan war nicht einmal immer Bundmeister. Und selbst wenn er es war, ließ er seinen Leuten so viele Freiheiten, dass sie die Xaositekten oft gar nicht wirklich als Bund ansehen konnte. Und Lhar war recht entspannt, wenn Schwarzhuf sich ohne ihn mit den anderen besprach, weil den Trostlosen ohnehin vieles egal war. Zamakis, wie meist in einen edlen, schwarzen Gehrock gekleidet, hatte auf einem Hocker Platz genommen, den sie offenbar so weit wie möglich von allen Konstruktionen im Raum weggeschoben hatte. Es war kein Geheimnis, dass sie mechanischen Gerätschaften nicht besonders vertraute und sich lieber auf ihre arkanen Kräfte verließ. Sie nickte Krystall beim Eintreten in ihrer knappen Art zu und schien ihre erste Frage geradezu zu erahnen.
„Rakalla ist noch nicht da“, erklärte sie. „Aber gewiss wird sie jeden Moment eintreffen.“
„Willst du in der Zwischenzeit was trinken?“, rief Krixxi von dem metallenen Monstrum herunter, auf dem sie stand und Schraubenmuttern festzog. „Ich hab extra für dich Rum besorgt.“
Krystall musste lachen. „Ist das so? Nun weiß ich nicht, ob ich mich freuen soll oder eher besorgt sein sollte, dass ich hier schon als einschlägige Rumtrinkerin bekannt bin.“
„Ach.“ Schwarzhuf schnaubte leise durch die Nüstern und hob seine mächtigen Schultern. „So lange es ein guter Rum ist, kann dir das doch egal sein, oder?“
Die Anführerin der Klingenengel wollte gerade etwas erwidern, als sie hörte, wie hinter ihr die Tür geöffnet wurde. Reflexhaft zog sie einen Dolch aus der Halterung an ihrem rechten Oberschenkel, während sie zum Eingang herumfuhr. Doch es war nur die noch von allen erwartete Rakalla.
„Ah, du bist es“, stellte Krystall fest und steckte den Dolch wieder weg.
Die Medusa grinste amüsiert. „Erwartest du sonst noch jemanden?“
„Ach, weißt du, in meiner Lage muss man immer irgendjemanden erwarten“, erwiderte Krystall. „Und meistens keinen Freundschaftsbesuch.“
Rakalla rückte die Brille mit den dunkel getönten Gläsern zurecht. „Aber der klopft normalerweise nicht an, oder?“
„Du würdest dich wundern“, meinte Krystall lachend. „Tarnung ist alles. Ach ja, hat sich Síkhara mal wegen Haer’Dalis bei dir gemeldet?“
Die Medusa nickte. „Ja, hat
sie. Ich hab ihr gezeigt, wo er gerade arbeitet – eine kleinere Bühne im
Marktbezirk. Er schien sich sehr zu freuen, sie wiederzusehen. Die
beiden scheinen einiges zusammen erlebt zu haben. Wo wir schon bei dem
Thema sind: Sollen wir ihr eigentlich … mehr über das Ganze erzählen?“
„Das bleibt die große
Frage“, meinte Krystall. „Ich bin noch etwas unentschlossen. Nicht weil
ich ihr misstraue. Im Gegenteil, ich mag sie sehr gerne. Aber wenn sie
über die ganze Geschichte mit der Prophezeiung Bescheid weiß, könnte sie
das auch in Gefahr bringen. Ein bisschen was hab ich ihr erzählt, aber
sie meinte, sie sei geduldig und ich solle mir die Sache in Ruhe durch
den Kopf gehen lassen.“
„Bleibt sie nun erst einmal hier in Sigil?“, wollte Zamakis wissen.
Krystall nickte. „Es sieht
so aus. Sie sagte, sie hätte hier von etwas gehört, das mit einem ihrer
früheren Fälle zusammenhängen könnte. Irgendwas mit Schatten Diebstahl –
frag mich nicht. Ich denke, sie wird eine Weile hier sein. Wir haben
also noch ein bisschen Zeit, uns Gedanken über die Sache zu machen.“
„Also, da es nicht um die Blutjägerin geht, was verschafft uns dann heute die Ehre?“ Die krächzende Stimme kam etwa aus der Höhe ihrer Knie. Es war der Hahn Figaro, der nun hinter dem Gerät hervorkam, auf dem Krixxi stand und an dem er offenbar ebenso gearbeitet hatte. „Nicht, dass wir dich nicht gerne sehen würden. Aber es gibt sicher einen Grund, der über einen guten Rum hinausgeht, wenn ich korrekt vermute?“
Einmal mehr musste Krystall sich ein Schmunzeln verkneifen. Figaros korrekte, aber trockene Art in Verbindung mit seiner gestelzten Ausdrucksweise amüsierten sie immer wieder, doch hütete sie sich, dem Hahn das zu zeigen. Er besaß einen Stolz, der eines Gockels würdig war. Und da sie ihn zudem auch sehr gern hatte, wollte sie ihn nicht beleidigen, indem sie ihm das Gefühl gab, sie würde sich über ihn lustig machen. Sie wusste, es war ein wunder Punkt bei ihm, dass allzu viele Humanoide ihn als lustigen, sprechenden Vogel abtaten anstatt ihn als den begabten und intelligenten Mechaniker zu respektieren, der er war.
„Das stimmt“, erwiderte sie daher ebenso höflich. „Nun ja, es ist so: Ihr erinnert euch doch an den Halbelfen, den ich kürzlich aufgenommen habe? So fünf, sechs Wochen ist das her.“
„Ja, klar.“ Krixxi versuchte nun, von der großen Konstruktion herunter zu klettern. Doch Schwarzhuf griff ihr vorsichtig unter die Arme und setzte sie sanft auf dem Boden ab. „Danke, Großer! … Wo hab ich denn nun diese Schraube hin …? … Ach da! … Also, nochmal … Ach ja, der Halbelf. Sgillin, oder? So hieß der doch?“
Krystall sah aus dem Augenwinkel, wie Zamakis bei Krixxis wirrem Geplapper mit einem Anflug von Anstrengung die Brauen hob. Sie selber unterdrückte ein Schmunzeln.
„Ja genau, Sgillin. Ich hatte euch ihm gegenüber noch nicht erwähnt, weil er ja doch vor allem mit den anderen rumhängt. Aber ich fand das irgendwie passend und wollte auch erstmal abwarten, wie er sich bei uns so einfindet. Hab ich euch ja alles erzählt.“
Rakalla nickte, während sie auf einer mit Eisenbändern beschlagenen Truhe Platz nahm. „Richtig. Dann war er mit euch auf zwei oder drei gemeinsamen Raubzügen und hat sich da ganz gut gemacht, meintest du.“
„Genau so war es“, bestätigte Krystall. „Aber, genau wie wir, sind die anderen dann zu einer Mission aufgebrochen – und zwar auch, um Hüterin und Verkünder zu suchen, wie ich dann im Nachgang von Sgillin erfahren hab.“
„Ach ne, sag bloß!“ Krixxi riss ihre gelben Augen auf. „Die haben auch nach denen gesucht? Haben sie sie auch gefunden?“
„Ja, haben sie. Aber dazu später. Jedenfalls, Sgillin schlug dann vorgestern wieder bei mir auf und fragte mich, wann ich vorgehabt hätte, ihm mitzuteilen, dass wir zu den Anarchisten gehören.“
„Hö?“ Schwarzhuf wackelte mit den Ohren. „Ich dachte, das wäre ihm klar gewesen.“
„Nein, nicht so ganz …“ Krystall seufzte und wollte nun auch Platz nehmen, auf einem kleineren Fass, das in ihrer Nähe stand. Als sie jedoch sah, dass ein Flammensymbol darauf gemalt war, hielt sie kurz zögernd inne. Erst auf ein beruhigendes Nicken von Figaro hin setzte sie sich. „Als ich ihm das Amulett gab, da hab ich ihn natürlich genau beobachtet. Und seine Reaktion hatte mir gezeigt, dass er das Symbol nicht erkannt hatte. Ich beließ es auch erstmal dabei.“
Zamakis wölbte eine ihrer dunklen Brauen. „Weil du die Befürchtung hattest, er könnte sich von euch distanzieren, wenn er wüsste, dass ihr eine anarchistische Zelle seid?“
„Genau.“ Die Anführerin der Klingenengel nickte ernst. „Ich hatte ein bisschen Angst, dass die anderen Sgillin schon zu sehr beeinflusst hatten. Dickschädel in der Gruppe und so weiter. Gibt auch zwei, drei unter meinen Leuten, die mich gefragt haben, ob ich echt sicher bin, dass er nicht doch ein Spion ist.“
„Oh, Süße, das klingt aber nicht so gut“, ließ Rakalla sich vernehmen, und ihre Schlangen zischelten leise. „Nicht dass deine Leute am Ende meutern oder so.“
„Keine Sorge“, beruhigte Krystall sie. „Ich sitz recht fest im Sattel. Ich hab ihnen erklärt, dass er in dem Fall schon lange genug Informationen hätte, um uns auffliegen zu lassen. Ich konnte sie beschwichtigen, ist alles gut.“
Figaro flatterte auf eine der Werkbänke, um mit seinen humanoiden Gesprächspartnern auf gleicher Augenhöhe zu sein. „Und nun, da Sgillin weiß, dass ihr zur Revolutionsliga gehört: Wie hat er reagiert?“
„Na ja, ich sagte ihm, ich würd's verstehen, wenn er mir das Amulett zurückgeben möchte.“ Krystall grinste. „Wollte er aber nicht.“
„Hast ein gutes Gespür, wie ich sehe.“ Rakalla klang anerkennend.
„Ja, hat mich nicht getrogen. Er wollte wissen, wie wir unterwegs sind. Sichergehen, dass wir nicht einfach irgendwen umlegen und so. Ich hab ihm erklärt, dass es genauso ist, wie er uns bisher erlebt hat: Dass wir hauptsächlich Einbrüche und Überfälle durchführen, und zwar auf Reiche, deren Geld wir dann im Stock verteilen. Das war für ihn in Ordnung. Hat mich natürlich gefreut. Sgillin hat das Herz am rechten Fleck und ist mutig. Ich seh ihn gern in unseren Reihen.“
Die Medusa legte nun ihren Kopf schief und musterte sie nachdenklich. Schließlich nahm sie ihre Brille ab – inzwischen hatte Krystall sich daran gewöhnt und wusste auch, dass Rakalla ihren Blick unter Kontrolle hatte, daher erschrak sie dabei nicht mehr instinktiv. „Sag mal, mit euren Zellen“, meinte die Alchemistin dann. „Wo da jede so ihr eigenes Ding macht … kommt ihr euch da eigentlich nie in die Quere?“
Krystall grinste etwas ertappt. „Doch, manchmal schon, wenn ich ehrlich sein soll.“
Die Medusa lachte, es schien fast, als würde ihr das gefallen. Nun ja, es hatte einen Hauch von Entropie, wie also sollte eine Schicksalsgardistin sich nicht dafür begeistern können? „Dachte ich mir fast“, stellte sie belustigt fest. „ Aber ich wollte nicht vom Thema ablenken. Was wolltest du jetzt noch wegen Sgillin erzählen?“
Krystall atmete einmal tief durch, ehe sie antwortete. „Na ja, ich hab ihm das Pergament gezeigt.“
„Das Pergament?“ Zamakis hob wachsam den Kopf.
„Das wir damals diesem Typen vom Prädestinat geklaut haben, genau.“ Die Anführerin der Klingenengel nahm auf den Blick der Vampirin hin, fast unbewusst, eine etwas aufrechtere, wachsamere Sitzhaltung ein. „Das Pergament, wegen dem wir überhaupt von der Prophezeiung wissen und in dem ein paar der Erwählten aufgelistet sind. Ich dachte mir, es ist an der Zeit, ihm zu erzählen, dass wir da auch mit drin stecken.“
Krixxi drehte hektisch einen kleineren Schraubenschlüssel zwischen ihren Fingern. „Meinst du echt, dass das ne gute Idee war? Der hängt immerhin mit einem Dickschädel rum.“
„Hat er sich nicht ausgesucht“, verteidigte Krystall ihren Neuzugang. „Und er hatte genug Ärger, weil er als Anarchist aufgeflogen ist. Da war ich ihm das schuldig.“
„Er ist aufgeflogen?“ Schwarzhuf schnaubte entsetzt. „Ach du Schande. Das heißt, die anderen wissen, dass er zu euch gehört?“
„Leider ja“, erwiderte Krystall seufzend. „Aber da bin ich selber schuld. Da er nicht wusste, was das für ein Symbol auf dem Amulett ist, hat er es seinen Freunden gezeigt. Auch dem Dickschädel, leider. Und der … hat's natürlich seinem Bundmeister gesteckt.“
„Au weia!“ Krixxi weitete ängstlich die Augen. „Hat … Sarin ihm was getan?“
„Nein, nicht wirklich“, beruhigte Krystall sie. „Hat sich wohl in Grenzen gehalten. Er muss sich wirklich gut verkauft haben.“
„Dem scheint wohl so zu sein“, bemerkte Figaro gemessen. „Welch ein Glück für ihn, wahrlich. Und nun?“
Als ein kurzer Blick zu Zamakis ihr verriet, dass die Vampirin zwar nicht begeistert über ihre kleine Eigenmächtigkeit war, sie ihr jedoch offenbar durchgehen ließ, entspannte Krystall sich wieder. „Wir hegen ja schon länger die Vermutung, dass Sgillin eigentlich zu uns gehört. Und nun dachte ich mir, ich sollte euch vielleicht doch mal miteinander bekannt machen, ihn und euch. Ich würde noch abwarten, was Lorias und Elyria uns zu sagen haben, und natürlich wollte ich auch erst fragen, ob ihr einverstanden seid. Bei ihnen waren die beiden schon.“
„Echt jetzt?“ Rakalla runzelte etwas missbilligend die Stirn. „Warum bei denen zuerst?“
„Keine Ahnung.“ Krystall hob die Schultern. „Sie werden ihre Gründe haben. Vielleicht haben die anderen die beiden ja auch als erste gefunden.“
„Das würde mich nicht wundern.“ Zamakis warf Krixxi einen vielsagenden Blick zu. „So lange und so chaotisch, wie wir mit diesem Barrakuda durch die Außenländer geflogen sind.“
„Der Barrakuda war toll!“, entgegnete die Goblinfrau und zog eine Schnute. „Und außerdem war das doch eine voll spannende und lustige Reise!“
Die Vampirin hob lediglich die Brauen, erwiderte aber nichts mehr darauf. Rakalla hingegen klopfte der Mechanikerin tröstend auf die Schulter.
„Ja, das war sie. Keine Sorge, Kleine.“
„Ich denke, dass die Reihenfolge wahrscheinlich auch nicht so wichtig ist“, versuchte Krystall zu schlichten. „Sgillin meinte allerdings, für ihn wäre das Ganze nicht so erbaulich gewesen.“
Figaro plusterte sein Gefieder auf. „Wieso das?“
„Wollte er nicht genauer erklären. Er sagte, wir sollten uns nochmal darüber unterhalten, nachdem die beiden bei uns waren. Dann ließe sich das Ganze etwas besser erzählen.“
„Klingt ja ganz schön geheimnisvoll“, stellte Rakalla fest. „Da bin ich gleich noch mehr gespannt, was die beiden uns übermorgen zu sagen haben.“
„Ja, allerdings. Und dann ist eben die Frage, ob ihr Sgillin mal treffen wollen würdet. Er meinte, er könnte es nachvollziehen, wenn ihr nicht wollt. Er sagte, das Ränkespiel und das Misstrauen der Bünde untereinander seien in seinen Augen das größte Hindernis bei der ganzen Angelegenheit.“
„Hm ja, da ist was dran.“ Schwarzhuf nickte. „Also, von mir aus gerne. Ich würd mich freuen, ihn kennenzulernen.“
„Ich auch.“ Krixxi klatschte in die Hände. „Find ich eine gute Idee.“
Zamakis reagierte erwartungsgemäß zurückhaltender. „Nicht, dass ich so strengen Regularien unterliegen würde wie jemand vom Harmonium oder den Herrschnern“, erklärte sie ruhig. „Aber in dieser speziellen Frage würde ich mich doch lieber mit Skall oder Oridi besprechen, ehe ich etwas entscheide.“
„Ich sag's ungern, aber geht mir genauso.“ Rakalla seufzte, etwas resigniert, wie es Krystall erscheinen mochte. „Ich muss Pentar fragen, ob das in Ordnung ist. Entropie hin oder her, aber in dieser Sache sieht sie es nicht gern, wenn ich etwas hinter ihrem Rücken mach.“
„Das verstehe ich natürlich“, versicherte die Anführerin der Klingenengel. „Dachte ich mir auch schon, daher hab ich um das Treffen heute gebeten. Wie ist das bei euch?“ Sie sah zu Schwarzhuf und Krixxi.
Der Minotaurus schnaubte leise durch die Nüstern. „Ich denk nicht, dass Lhar ein Problem damit hat. Aber ich frag ihn.“
„Also … Karan ist grade nicht Bundmeister“, meinte die Goblinfrau stirnrunzelnd. „Das ist grade Quake … glaub ich. Oder nein, Mordi! … Hm, oder .. Ach, keine Ahnung, ehrlich gesagt.“ Sie warf den Schraubenschlüssel in einen nahen Werkzeugkasten. „Ach, sagen wir einfach, dass grade ich Bundmeisterin bin, und ich entscheide, dass es in Ordnung ist.“
Rakalla schüttelte den Kopf, in einer Mischung aus Erheiterung und Irritation. „Also echt, das finde sogar ich als Sinkerin schräg, wie ihr das handhabt mit eurem Bundmeister-Amt.“
„Wieso denn?“, fragte Krixxi verständnislos. „Ist doch ne gute Lösung.“
Die Medusa hob abwehrend die Hände, wie um zu bedeuten, dass sie nicht darüber streiten wollte, und Zamakis warf der Mechanikerin lediglich einen ihrer vielsagenden Blicke zu. Als Angehörige eines Bundes, der seit seiner Begründung denselben Bundmeister hatte, mussten die Praktiken der Xaositekten ihr besonders abstrus erscheinen.
Figaro nickte, offenbar erleichtert. „Ich glaube, auf diese Diskussion möchte sich glücklicherweise niemand hier einlassen.“
„Das stimmt“, meinte Krystall lachend. „Also gut, Schwarzhuf, Rakalla und Zamakis fragen bei ihren Bundmeistern nach, ob es in Ordnung ist, dass ich euch mit Sgillin bekannt mache. Übermorgen treffen wir Hüterin und Verkünder. Und jetzt würde ich gerne auf diesen Rum zurückkommen.“
„Na klar!“ Krixxi wollte schon loslaufen, hielt dann aber inne. „Oh, Schwarzhuf? Der steht ganz oben auf dem Regal da drüben. Kannst du den mal runter nehmen? Dann muss ich jetzt nicht extra den Flaschenzug ...“
Der Minotaurus bedeutete ihr, wieder Platz zu nehmen. „Klar, ich mach schon.“
Er ging zu dem besagten Regal hinüber, um eine Flasche vom obersten Brett zu nehmen, während Krystall den Waffengurt mit ihrem Rapier abschnallte und über eine nahe Werkbank hängte. Sie freute sich auf den entspannten Teil des Abends, der nun folgen würde. Und sie musste zugeben, dass der Minotaurus, die Medusa, die Goblinfrau, der Hahn und sogar die Vampirin ihr während des denkwürdigen Fluges mit dem Barrakuda wirklich ans Herz gewachsen waren. Tatsächlich begann es sich langsam anzufühlen, als ob sie neben den Klingenengeln noch eine zweite, kleine Familie hatte.
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basierend auf dem Rollenspiel mit Sgillins Spieler am 26. November 2012




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