Verdammte Seelen

 

„Betrachte denjenigen, der deine Fehler aufdeckt, als jemanden, der dir etwas von einem verborgenen Schatz zeigt.“

Worte Yoseis des Himmelsdrachen

 

 

 

Zweiter Dametag von Zehent, 126 HR

 

Nach sieben Tagen der Prüfungen stand Kiyoshi in voller Rüstung, die Naginata quer über der Schulter und den Helm auf dem rechten Arm abgelegt, früh morgens auf dem Exerzierplatz der Kaserne und wartete. Er sollte mit einem erfahrenen Offizier seinen ersten Patrouillendienst in der Stadt Sigil versehen. Eine große Ehre, würde er doch hierbei zum ersten Mal das ehrwürdige Harmonium gegenüber der Öffentlichkeit vertreten. Er hoffte, dass es sich bei dem Offizier um Sohn des Dwozurt Nallart-sensei handeln würde, der auch schon in den vergangenen Wochen die praktischen Teile seiner Ausbildung übernommen hatte. Kiyoshi blickte sich im Hof der Kaserne um und fühlte sich an den Beginn seiner Ausbildung vor sieben Wochen erinnert.

 

Der Morgen des dritten Markttages von Retributus war angebrochen und auf dem Exerzierplatz des Harmoniums war das Zwielicht der Nacht noch nicht dem helleren Licht des Tages gewichen, als Kiyoshi das Feld betreten hatte. In voller Rüstung, so hatte der Befehl gelautet, hatte er sich im Morgengrauen am Exerzierplatz einzufinden. Auf dem Innenhof der Kaserne waren bereits Rekruten in der Rüstung des Harmoniums in Reihen zu je acht vor einem Ausbilder aufgestellt gewesen und hatten ihre ersten Befehle des Tages entgegen genommen. Kiyoshi hatte alleine gestanden, keine weiteren Rekruten, die mit ihrer Ausbildung in dieser Woche begonnen hatten, nur er. Er hatte den Blick schweifen lassen, als er plötzlich eine tiefe Stimme hinter sich bellen gehört hatte: „Rekrut Kiyoshi, angetreten!“

Kiyoshi war herum gezuckt und hatte seinen Ausbilder zum ersten Mal gesehen. Obwohl er selbst unter den Rekruten auf dem Hof nicht der größte gewesen war, so war sein Ausbilder noch einmal etwa einen Kopf kleiner gewesen. Was ihm an Größe gefehlt hatte, hatte er jedoch durch seine breite Brust wieder wettgemacht. Eine prächtige Plattenrüstung mit roten und goldenen Verzierungen sowie ein langer schwarzer Fellmantel hatten den Veteranen gekleidet, der ihn aus goldfarbenen Augen zwischen silbergrauem Haupthaar, dichten Augenbrauen und einem mächtigen silbrigen Bart angesehen hatte - beinahe die einzigen Teile des sonnengebräunten und faltigen Gesichts, die zwischen den Haaren zu erkennen gewesen waren.

Der Kamigawaer hatte Haltung angenommen vor dem zwergischen Dekurio zweiten Grades, wie ein kurzer Blick auf die Schulterklappen verraten hatte. „Soldat Kiyoshi meldet sich wie befohlen zur Grundausbildung.“

Der alte Zwerg hatte genickt. „Richtig, Grundausbildung. So lange du die nicht abgeschlossen hast, bist du meiner Meinung nach kein Soldat, sondern ein Rekrut. Ordnung muss sein. Mein Name ist Dekurio zweiten Grades Nallart, Sohn des Dwozurt und ich bin dein Ausbilder für all die praktischen Teile auf eurem Weg zum Soldaten. Klar soweit?“

„Jawohl, Sohn des Dwozurt Nallart-sensei“, hatte Kiyoshi auf die kleine Ansprache des Dekurio erwidert. Auch wenn sein Gesicht es nicht gezeigt hatte, so respektierte er doch jemanden, der sich so an die Regeln hielt.

„Man hat mir schon gesagt, dass ihr mit den Namen Ehrenbezeichnungen eurer Heimat verpackt. Nun gut, Rekrut. Du bist also höflich und pünktlich und deine Uniform ist so sauber, dass ich mich darin spiegeln könnte. Aber bei Moradin, das bringt dir auf den Straßen Sigils gar nichts. Jetzt wollen wir mal sehen, aus welchem Erz du geschmiedet bist. Neben mir her im Laufschritt.“

 

„Soldat Kiyoshi. Wie immer so pünktlich, dass man die Uhr danach stellen könnte. Wie ich sehe, hat sich das in den letzten Wochen nicht geändert.“

Die Stimme von Sohn des Dwozurt Nallart-sensei riss Kiyoshi aus seinen Erinnerungen, während er strammen Schrittes die Entfernung zwischen ihnen schloss.

„Sehr gut, Ordnung muss sein. Und die Rüstung ist immer noch so sauber wie am ersten Tag. Ich muss sagen, ich finde an dir nichts auszusetzen, so sehr ich auch suche. Das gefällt mir, Soldat.“

Der Zwerg kam ein paar Schritte vor Kiyoshi zu stehen und die Enden des prächtigen, gepflegten Schnurrbartes hoben sich leicht und ließen so ein Lächeln vermuten. An dieses Lächeln erinnerte sich Kiyoshi noch aus seiner ersten Woche.

 

„Rekrut Kiyoshi, so geht das nicht.“ Sohn des Dwozurt Nallart-sensei hatte das Übungsschwert sinken lassen, mit dem die beiden gerade den ersten Übungskampf bestritten hatten, nachdem Kiyoshis körperliche Verfassung am ersten Tag als „ausreichend“ beurteilt worden war. „Wenn wir schon einen Teil der Ertüchtigungsübungen durch Nahkampfübungen ersetzen, dann musst du auch angreifen. Du stehst mit deiner Stange da, wehrst meine Schläge ab, aber das war's. Bundmeister Sarin hatte mir gesagt, du hast auf deiner Welt gedient, warst schon im Krieg. So hast du sicher nicht überlebt.“

Kiyoshi hatte die Augen niedergeschlagen und geschwiegen. Nach einer kurzen Pause war Sohn des Dwozurt Nallart-sensei näher an seinen Rekruten herangetreten.

„Gibt es einen Grund, warum du mich nicht angreifst?“

„Ja, Sohn des Dwozurt Nallart-sensei, es wäre nicht recht. Ihr seid höher als ich im Rang.“

„Das glaub ich nicht, Rekrut Kiyoshi. Ich muss herausfinden, was du kannst, um dich ausbilden zu können. Das ist doch …“ Der Zwerg hatte kurz überlegt. „Rekrut, mach eine von diesen Katas, von denen du erzählt hast, ich bin gleich wieder da.“

Kiyoshi hatte begonnen, mit dem Kampfstab ein paar Bewegungen durchzuführen, streng abgemessene Angriffs- und Verteidigungsfolgen gegen nicht vorhandene Gegner, während sein Ausbilder in Richtung einer anderen Gruppe Rekruten gegangen war, dort kurz mit dem Ausbilder gesprochen hatte und dann mit einem dieser Rekruten, einem jungen Menschen zurückgekehrt war.

„Rekrut Kiyoshi, das hier ist Rekrut Gorn. So Jungens, jetzt zeigt mir mal, was ihr könnt.“

Schon während des Kampfes hatte Kiyoshi sehen können, dass die Winkel des Bartes nach oben gewandert waren, selbst als Rekrut Gorn Kiyoshi nach etwa zehn Minuten auf dem Boden liegen gehabt hatte und beide schwer geatmet hatten.

„Sehr gut gemacht, Rekrut Gorn. Weggetreten. Rekrut Kiyoshi, du bist ein guter, ausdauernder Kämpfer. Du hast eine gute Ausbildung genossen. Jetzt zeige ich dir, wie man gemein kämpft.“

 

„Also dann, Soldat Kiyoshi. Lass uns mal für den Anfang in den Kuratorenbezirk gehen und ich erkläre dir die grundlegenden Dinge, auf die du achten solltest. Fangen wir an mit dem Weitergehen. Soldaten des Harmoniums marschieren nicht, sie gehen. Wenn du eine weite Strecke gehen musst, dann bewegst du deine Beine und deine Hüften so ...“

 

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Dieses Kapitel wurde von Kiyoshis Spieler verfasst.