„Ich zweifle nicht an der Macht Aoskars. Ich schwelge täglich in seinen Geheimnissen. Und zugleich erfreue ich mich an der Tatsache, dass der Wahnsinnige Gott tot ist, kein besserer Beweis der Philosophie der Athar kann existieren.“
Bundmeister Terrance, Über Propheten und Wahnsinnige
Zweiter Stocktag von Konkordanz, 126 HR
Terrance saß auf einer Holzbank unter dem Heiligen Baum und wartete auf Ambar. Er war inzwischen wieder in seine lange Robe gekleidet, doch noch wenige Stunden zuvor hatte er einen schlichten, schwarzen Mantel getragen, wie stets, wenn er sich inkognito im Stock bewegte. Er hielt sich öfter dort auf, als selbst vielen seiner einfachen Bundmitglieder bewusst war. Seine Faktoren und einige Faktoti aber wussten es, und nicht alle waren darüber glücklich. Sie fürchteten um seine Sicherheit, doch Terrance schmunzelte stets nur, wenn sie ihre Bedenken vorbrachten. An dem Tag, an dem er fürchtete, alleine durch eine dunkle Gasse zu gehen, wäre es an der Zeit, sein Amt als Bundmeister niederzulegen. Er mochte sich von seiner ehemaligen Göttin abgewandt haben, doch er fühlte sich nach wie vor dem Prinzip der Heilung zutiefst verpflichtet. Und wo in Sigil hatte man Heilung nötiger als im Stock? Er tat im Grunde nicht viel, zumindest nicht gemessen an dem, was seine Gebete zum Großen Unbekannten bewirken konnten. Er heilte hier den gebrochenen Arm eines Tagelöhners, dort das Fieber einer verarmten Händlerin, mal den entzündeten Blinddarm eines Kindes und mal die getrübte Sicht eines alten Bettlers. Für ihn waren es nur einige Worte, nur eine Geste seiner Hände, aber für diese Armen und Mittellosen, für die Gebrochenen und Verlassenen Sigils, veränderte oder rettete es ihr Leben. Sie hatten nicht das Geld, die Verbindungen oder schlicht und einfach auch nicht den Mut, in einem Tempel Hilfe zu suchen, derer es im Stock ohnehin zu wenige gab. Doch welcher Stockbewohner hätte sich Hilfe suchend in einen der oberen Bezirke gewagt? Und noch viel entscheidender: Hätte er sie dort auch bekommen? Gerechterweise musste er zugeben, dass ein derart Verzweifelter womöglich sogar wirklich Hilfe erhalten hätte. Es gab immerhin genug Tempel guter Gottheiten in den wohlhabenden Bezirken, genug gute Kleriker, Paladine oder andere wohlwollende Bewohner, dass ein Bedürftiger aus dem Stock zumindest eine Chance auf Hilfe gehabt hätte. Doch der Punkt war, so gut wie keiner von ihnen wäre auch nur auf diese Idee gekommen. Der Stock umklammerte sie wie eine dunkle, kalte, erdrückende Hand, und die meisten versuchten niemals wirklich, diesem Griff zu entfliehen. Also begab Terrance sich regelmäßig in den Stock – oft abends oder nachts, wanderte durch die Gassen und bot seine Hilfe an, wenn sie gebraucht wurde. Die meisten Bewohner erkannten ihn nicht, zu sehr unterschied sich seine Kleidung auf diesen Streifzügen von den edlen Roben, die er in der Öffentlichkeit trug. Und zu wenig rechnete jemand in den baufälligen Häusern und feuchten Wohnungen mit einem so hochstehenden Gast. Wurde er doch erkannt, bat er seine Patienten stets darum, Stillschweigen über seine Anwesenheit zu bewahren. Ihm war nicht daran gelegen, dass seine nächtlichen Ausflüge in den Stock allgemein bekannt wurden. Obgleich er sich dort nicht fürchtete, hätte es ihn auf gewisse Weise angreifbar gemacht, für Fallen, Hinterhalte oder dergleichen. Zudem half er um der Leute willen, und nicht aus dem Grund, dass man ihn deswegen höher achtete oder Loblieder auf ihn sang. Stolz war der Fall nicht nur eines Bundmeisters von Sigil gewesen, und diesem Laster würde er nicht erliegen. Er hob den Kopf, als er das leichte Knirschen von Schritten auf dem Weg zum Heiligen Baum hörte. Die Silhouette der sich nähernden Gestalt erkannte er trotz der Entfernung sofort. Als Ambar im dämmernden Grau des Letzten Lichts auf den Bois Verdurous zu schlenderte, war sein Gang federnd und jugendlich wie stets. Er trug an diesem Abend die einfachen Gewänder eines Waldläufers in Grün- und Brauntönen, das rote Haar war zurückgebunden, doch einige Strähnen fielen ihm nach wie vor ins Gesicht, verliehen ihm dieses fast jungenhafte Aussehen, das Terrance seit jeher gewohnt war. Er kannte Ambar seit dreißig Jahren, und zum Zeitpunkt ihrer ersten Begegnung war er selber in seinen frühen Dreißigern gewesen. Nun war er Anfang sechzig, sein Haar längst ergraut, während der Halbelf noch immer so jung aussah wie einst. Ihrer engen Freundschaft hatte dies jedoch nie einen Abbruch getan, und Ambar war einer der wenigen, die ihn mehr wie einen Freund denn wie einen Bundmeister oder Hohepriester behandelten. Das war einer der Gründe, warum er die Treffen und Gespräche mit dem Barden so schätzte. Und der Halbelf grüßte ihn auch lediglich mit einem kurzen Winken, als er sich näherte und nahm ohne auf eine einladende Geste zu warten neben ihm auf der Bank Platz.
„Verzeiht die kleine Verspätung, mein Freund“, entschuldigte er sich.
Terrance winkte mit einem Schmunzeln ab. Es war wirklich nicht so, als ob er etwas anderes erwartet hätte. „Schön, dass Ihr kommen konntet.“
„Aber ich bitte Euch, Terrance.“ Ambar lachte. „Wir haben uns in den letzten Monaten sowieso zu selten gesehen. Außerhalb der Halle der Redner, meine ich.“
Der Hohepriester nickte, und seine ernste Miene fiel dem Halbelfen sogleich auf.
Besorgt runzelte er die Stirn. „Was habt Ihr, Terrance? Ihr wirkt so nachdenklich.“
„Ich mache mir nur ein paar Gedanken über die Prophezeiung“, beschwichtigte der Bundmeister der Athar. „Was ich konkret denke ist: Naghûl war schon Mitglied der Sinnsaten, lange bevor wir von der Prophezeiung erfuhren. Und Kiyoshi kam ganz gezielt zu Sarin, um Mitglied des Harmoniums zu werden. Jana und Lereia haben wir beide … na ja, man könnte fast sagen, uns gezielt unter den Nagel gerissen, nicht wahr? Ich hoffe, dass uns das nicht auf die Füße fallen wird.“
Erstaunt sah der Halbelf ihn an, seine grünen Augen leuchteten geradezu im sanften Licht des Heiligen Baumes. „Aber Terrance, was sind das für düstere Gedanken? Ihr habt doch immer so großes Zutrauen in das Multiversum als Ganzes. Denkt Ihr nicht, dass es einfach sein sollte?“
Ambar hatte Recht. Er dachte für gewöhnlich positiver, doch es war etwas an dieser Prophezeiung, das ihm ein unangenehmes Gefühl verursachte. „Hoffen wir es, mein lieber Ambar“, antwortete er. „Hoffen wir, dass es wirklich so sein sollte. Vor allem, nachdem ich derzeit versuche, auch Jana davon zu überzeugen, dass dem so ist.“
„Wieso?“ Der Barde hob die Brauen. „Glaubt sie das etwa nicht?“
Terrance wiegte den Kopf. „Jana scheint immer noch nicht recht überzeugt, dass ihre Vision etwas mit dem Pergament und somit der Prophezeiung zu tun hat. Sie meint, es sei vielleicht nur eine Art Schwächeanfall gewesen, dem ich nicht zu viel Bedeutung beimessen sollte. Es überraschte sie auch, dass ich in dieser Sache mit dem Harmonium zusammen arbeite. Zugegeben, das überrascht mich sogar selbst. Ich bin auf jeden Fall erleichtert, Euch auch mit in dieser Sache zu wissen, mein lieber Ambar.“
Der Halbelf lächelte. „Glaubt mir, so ging es mir auch, als ich Euch davon erzählte und erfuhr, dass auch Ihr einen Teil dieser Prophezeiung habt.“ Er zögerte kurz, stellte dann aber doch die Frage, die ihn offenbar umtrieb. „Woher wusstet Ihr denn eigentlich, dass Sarin …?“
„Wusste ich nicht“, erwiderte Terrance. „Er kam zu mir.“
Überrascht weitete Ambar die Augen und ein Grinsen schlich sich auf seine Lippen „Nein … Sarin kam zu Euch? Der Paladin der Iomedae kam zum Bundmeister der Athar?“
Die überspitzt akzentuierte Betonung der Worte Paladin und Athar ließ Terrance schmunzeln. „Geht es auch etwas weniger übertrieben?“
Ambars Grinsen wurde breiter. „Und da habt Ihr ihn gnädig empfangen?“
„Gnädig, von wegen.“ Der Hohepriester war sich seines sarkastischen Untertons wohl bewusst. „Die Beziehung zwischen Athar und Harmonium ist gespannt genug. Und da würde ich die Sache noch verschlimmern, indem ich ihren Bundmeister nicht empfange? Nein, nein, Ambar, das wäre selbst mir ein bisschen zu heiß.“
Der Barde nickte, legte den Kopf zurück und musterte nachdenklich das dichte Laubwerk des Heiligen Baumes. „Nun, gerechterweise muss man sagen, obgleich es sich beim Harmonium um einen eher extremen Bund handelt, ist Sarin ein mäßigender Bundmeister.“
Dem konnte Terrance nicht widersprechen. „Richtig. Er weiß, dass Sigil ein Pulverfass ist, und er will nicht, dass es explodiert. Er kann Dinge erstaunlich behutsam lösen – wenn er will.“
„Das stimmt. Trotz seiner Direktheit verfügt er über einen gewissen Charme.“ Auf Terrances Blick hin grinste Ambar erneut. „Nun ja, nicht auf diese liebenswürdige, lockere Art wie ich, versteht sich. Eher so eine raue, kriegerische Art. Aber immerhin recht ritterlich. Auf jeden Fall hat er sich dadurch offenbar sogar Verbündete in normalerweise entgegengesetzten Bünden verschafft.“
„Falls Ihr von Lady Erin Montgomery sprecht … Ja, das ist mir auch schon aufgefallen“, erwiderte Terrance. „Harmonium und Sinnsaten haben sich seit Langem nicht so gut verstanden, will mir scheinen.“
Der Halbelf nickte. „Der Mann weiß offenbar, was er tut. Unterstellt mir ruhig Vorurteile gegenüber Materiern, aber ich war in der Halle der Redner manchmal durchaus überrascht, wie er einige der anderen Bundmeister hat auflaufen lassen.“
„Mhm.“ Terrance hob die Brauen. „Uns beide auch schon, wenn wir ganz ehrlich sind.“
Ambar lachte gut gelaunt, er schien bereits wieder über die Sache hinweg zu sein. „Ja, es ist gar nicht so leicht, sich politisch mit ihm anzulegen.“
„Das ist leider wahr“, räumte der Hohepriester ein. „Und was man nie vergessen darf: Er ist innerhalb seines Bundes immens beliebt. Das Harmonium … also, die verehren ihren Bundmeister schon außerordentlich. Ich bete, dass ihm hier in Sigil nie etwas zustößt.“
Dieses offene Eingeständnis schien seinen Freund nun doch zu überraschen. „Sieh an.“
„Ja“, erwiderte Terrance ernst. „Denn das wäre … verhängnisvoll, Ambar. Ich wage nicht zu vermuten, was die dann tun würden.“ Er schwieg kurz und sein Blick folgte dem des Barden zur Krone des Heiligen Baumes. „Seltsamerweise, mein Freund, und auch für mich selbst überraschend, bin ich von einer Sache fest überzeugt: Wenn es irgendeinen Bundmeister ohne Arglist in Sigil gibt, dann ist es Sarin.“
Ambar wandte seine Augen vom Bois Verdurous ab und sah in einer Mischung aus Erstaunen und Irritation zu ihm. „Schließt Ihr uns beide etwa in diese Bemerkung mit ein?“
Er begegnete dem Blick des Halbelfen ruhig, aber ernst. „Oh ja.“
Der Barde bemühte sich, seine Verwunderung mit einem Stirnrunzeln zu überspielen, doch Terrance bemerkte sie dennoch allzu deutlich. Er verstand die Irritation seines Freundes und Kollegen. Sowohl als Bundmeister des Harmoniums als auch als Paladin war Sarin nicht gerade ein politischer Verbündeter der ersten Wahl. Und schon gar nicht jemand, über den er ein solche Urteil für gewöhnlich fällen würde. Es war eher eine tief in ihm verwurzelte Intuition, die ihn zu dieser Einschätzung brachte, und er würde sich auch hüten, sie einem anderen als seinem langjährigen Freund gegenüber zu äußern. Er war sicher, Ambar würde irgendwann darauf zurückkommen, doch für den Moment ließ er es dabei bewenden.
„Terrance, das geht zu weit“, erklärte er scherzend. „Erzählt mir lieber noch ein wenig von Eurer Erwählten. Jana, nicht wahr? Was sagte sie noch so?“
Terrance schmunzelte und folgte bereitwillig der Richtung, in die Ambar das Gespräch lenkte. „Sie stellte eine sehr kluge Frage. Was sei, wenn sie gar keine Erwählte sein wolle.“
Der Barde nickte. „Und was habt Ihr ihr gesagt?“
„Dass wir oft nicht gefragt werden, was wir wollen.“
„Also wirklich.“ Mit einem Lachen stieß Ambar ihn gutmütig mit dem Ellbogen an. „Wie tröstlich, Terrance.“
Der Hohepriester lächelte. Es waren genau diese vertrauten, freundschaftlichen Gesten, die ihn Ambars Gesellschaft so schätzen ließen.
„Sie sagte, sie sei überfordert mit der Sache“, fuhr er fort. „Ich erklärte ihr, dass ich das auch bin. Sie wollte wissen, was ich von ihr erwarte. … Tja, wenn ich das nur wüsste. Sie stimmte mir aber zu, dass so wenig Personen wie möglich von der Sache erfahren sollten. Bei uns im Bund wissen außer Jana und mir nur Askorion und Jaya davon.“
Ambar wurde wieder eine Spur ernster, als er zu diesen Worten zustimmend nickte. „Wie ist sie ansonsten so?“
„Sie setzt sich sehr für die Prostituierten im Stock ein“, erzähle Terrance. „Ich habe sie ermutigt, damit fortzufahren und auch Bescheid zu sagen, wenn sie dahingehend Unterstützung braucht. Was Etikette und gesellschaftlichen Umgang angeht … na ja, da hapert es noch ein wenig. Mir persönlich ist das zwar nicht allzu wichtig. Aber Sigil hat Regeln, ebenso wie jeder andere Ort, und man stolpert leicht, wenn man sie nicht kennt.“ Er machte eine kurze Pause, und als Ambar keine weiteren Fragen zu haben schien, lenkte er die Richtung des Gespräches um. „Und Lereia? Wie war Euer erstes Gespräch mit ihr?“
Nun lächelte Ambar. „Sie war reizend, wirklich. Sie fragte mich als erstes, wie sie mir helfen könne.“
„Das ist tatsächlich reizend“, erwiderte Terrance schmunzelnd. „Was habt Ihr ihr gesagt?“
„Dass die Frage vielleicht eher sei, wie ich ihr helfen könne. Sie meinte, sie sei nicht so oft in Sigil, würde die Stadt aber mögen.“
Der Hohepriester nickte nachdenklich. „Sie ist eine Wertigerin, sagtet Ihr?“
„Das stimmt.“ Ambar konnte seine Begeisterung darüber nicht verbergen, er versuchte es auch gar nicht. „Stellt Euch nur vor, sie wurde gebissen, als sie noch sehr klein war, und ihre Eltern haben sie daraufhin ausgesetzt.“
Bei diesen Worte wechselte seine Miene von begeistert zu betroffen, und auch Terrance war bewegt.
„Das ist furchtbar“, meinte er. „Wahrscheinlich waren sie vollkommen überfordert. Nicht unverständlich, wenn man keinerlei Hilfe mit so etwas hat. Nicht unbedingt eine Entschuldigung allerdings.“
„Stimmt.“ Der Barde nickte. „Sie wurde glücklicherweise von Mönchen der Eldath aufgenommen und in deren Kloster, im Norden einer materiellen Welt, aufgezogen. Dort lernte sie auch, es zu kontrollieren.“
„Bemerkenswert“, stellte Terrance fest. „Es gelingt nicht vielen Nicht-Geborenen, den Fluch unter Kontrolle zu bringen.“
Sein Freund nickte, nun schlug eindeutig wieder die Begeisterung durch, sowohl die des Waldläufers als auch die des Bundmeisters der Gläubigen der Quelle. „Ja, es bedarf einer beachtlichen inneren Stärke, das zu erreichen.“
Terrance konnte ein gutmütiges Schmunzeln nicht verbergen. „Oh. Der Funke?“
„Natürlich!“ Ambar lachte gut gelaunt. „Was denkt Ihr denn? Das war eine sehr lange und harte Prüfung für sie. Und sie hat sie gemeistert. Wisst Ihr, auch wenn wir uns unsere Erwählten ein wenig unter den Nagel gerissen haben, Terrance … Also, ich wüsste wirklich nicht, wer besser zu uns passen sollte als Lereia. Da steckt mehr dahinter. Das sollte so ein.“ Ambars jugendliche Begeisterungsfähigkeit war ein weiterer Grund, warum Terrance ihn so schätzte. Er lächelte ein wenig, während der Waldläufer eifrig fortfuhr. „Ich habe ihr natürlich erklärt, warum das, was sie geschafft hat, in meinem Bund so hoch geschätzt wird. Unsere Philosophie schien ihr sehr zuzusagen. Sie meinte, unser Bund könnte ihr zum einen ein Stück Familie werden und zum anderen würde sie gerne die Möglichkeit haben, andere in ihrem Lebenswillen zu bestärken und ihre innere Kraft zu finden.“
„Und dann wollte sie einfach so beitreten?“
„Was heißt hier einfach so?“ erwiderte Ambar lachend. „Es ist ja nicht so, als hätte unser Bund nicht einiges zu bieten.“
In Terrances Schmunzeln mischte sich nun ein leises Amüsement und eine gut gemeinte Spur von Ironie. „Einschließlich eines Bundmeisters, der sich ganz persönlich um ein neues Mitglied kümmert, hm?“
Seine Bemerkung ließ den Halbelfen kurz stutzen, gespielt empört stemmte er die Arme in die Seiten. „Nun hört bloß auf. Als ob Ihr etwas anderes gemacht hättet.“
„Was ich alles anders mache als Ihr, mein lieber Ambar, müssen wir sicher nicht in Länge und Breite diskutieren.“
Ambar hob eine Braue und setzte schon zu einer Erwiderung an. Doch er hielt inne und studierte Terrances ruhige und fast übertrieben freundliche Miene eingehender. Dann winkte er grinsend ab. „Ach, Ihr wollt mich doch nur ärgern.“
„Ja, natürlich“, entgegnete der Bundmeister der Athar erheitert. „Und funktioniert es?“
„Fast“, lachte Ambar. „Aber nur fast.“
Terrance lehnte sich zurück, zufrieden damit, seinen Freund zumindest ein wenig aus der Reserve gelockt zu haben und ließ seinen Blick wieder über den Baum wandern „Und nun habt Ihr ein neues Mitglied.“
Der Barde tat es ihm gleich und so saßen sie beide ruhig, mit verschränkten Armen im sanften Schimmer des Bois Verdurous.
„Ja. Ich habe ihr versichert, immer für sie da zu sein. Ich sagte ihr, ihre Sorgen seien von nun an auch meine Sorgen. Ich denke, das war das Richtige. Sie sagte, zum ersten Mal seit sie von der Prophezeiung erfahren hatte, fühle sie sich bestärkt darin, die Sache auch bewältigen zu können.“
Terrance seufzte leise. „Ich wünschte, ich hätte Jana so viel Zutrauen schenken können.“
Ambar wandte den Blick von dem Baum wieder hin zu Terrance und musterte ihn tröstend. „Nehmt es Euch nicht zu Herzen, mein Freund. Jede Person ist anders …“ Dann schlich sich doch wieder ein gewisser Schalk in seinen Blick. „Und den Athar liegt das Zweifeln ja im Blut, also ...“
Terrance konnte nicht anders als zu grinsen. Nun, das hatte er wohl verdient. „Ja, ja“ erwiderte er. „Zahlt es mir nur mit gleicher Münze zurück. - Was ist eigentlich mit diesem Projekt für die Xaositekten?“
Teils überrascht, teils amüsiert, dass so schnell die nächste freundschaftliche Spitze kam, hob Ambar die Brauen. „Terrance, das hier ist ein Freundschaftsbesuch! Und da bohrt Ihr nun derart in meinen Wunden?“
Der Hohepriester hob gelassen die Schultern. „Ich bin nicht derjenige, der sich betrunken von Karan zu einem solchen Irrsinn hat überreden lassen, mein Freund.“
„Nur ein wenig angeheitert“, versetzte der Barde, dann musste er lachen. „Oder ein wenig mehr, zugegeben. Aber es ist immerhin ein kreatives Projekt.“
„Sieben Speichen quer durch den ganzen Ring, so dass Sigil wie ein riesiges Rad aussieht? Ernsthaft, Ambar?“
Der Halbelf lachte noch herzlicher. „Ich sagte, es sei kreativ. Nicht dass es sinnvoll oder umsetzbar ist.“
„Na, seht es als eine Eurer Prüfungen an“, erwiderte Terrance erheitert.
Das letzte Licht war nun einer samtigen und für Sigiler Verhältnisse erstaunlich lauen Dunkelheit gewichen. Sie blieben daher noch eine Weile im Freien sitzen, und der Rest des Abends verging mit unbeschwerteren Themen als Politik und Prophezeiungen.




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